
OBERWESEL. (hpd/gbs) Mit deutlichen Worten hat der Vorstandssprecher der Giordano-Bruno-Stiftung, Michael Schmidt-Salomon, die Pläne deutscher Politiker kritisiert, die nach der Sommerpause ein Gesetz auf den Weg bringen wollen, das religiös motivierte Vorhautbeschneidungen bei Kleinkindern und Knaben legitimieren soll.
„Körperliche Unversehrtheit ist ein Menschenrecht und Menschenrechtsverletzungen sind prinzipiell nicht zu rechtfertigen – auch wenn sie mit noch so ‚heiligen‘ Traditionen begründet werden“, erklärte der gbs-Sprecher am Stiftungssitz in Oberwesel.
Um hierfür ein politisches Bewusstsein zu schaffen, plane die Giordano-Bruno-Stiftung zusammen mit anderen Kooperationspartnern eine Kampagne zur Stärkung der Kinderrechte, die in den nächsten Wochen anlaufen soll. „Offenbar ist den Politikern in Berlin nicht bewusst, dass sie die UN-Kinderrechtskonvention unterzeichnet haben und dass dies entsprechende Konsequenzen nach sich ziehen muss.“ Schmidt-Salomon verwies dabei auf Artikel 19,1 des „Übereinkommens über die Rechte des Kindes“, in dem es heißt: „Die Vertragsstaaten treffen alle geeigneten Gesetzgebungs-, Verwaltungs-, Sozial- und Bildungsmaßnahmen, um das Kind vor jeder Form körperlicher oder geistiger Gewaltanwendung, Schadenzufügung oder Misshandlung (…) zu schützen, solange es sich in der Obhut der Eltern oder eines Elternteils, eines Vormunds oder anderen gesetzlichen Vertreters oder einer anderen Person befindet, die das Kind betreut.“ Auch Artikel 24,3 der Kinderrechtskonvention spreche eindeutig gegen die Legitimation der religiösen Vorhautbeschneidung: „Die Vertragsstaaten treffen alle wirksamen und geeigneten Maßnahmen, um überlieferte Bräuche, die für die Gesundheit der Kinder schädlich sind, abzuschaffen.“
Entschieden wehrte sich Schmidt-Salomon gegen die häufig anzutreffende Bagatellisierung der Vorhautbeschneidung: „Zwar ist die Vorhautbeschneidung bei Jungen in ihren Auswirkungen nicht vergleichbar mit der Klitorisverstümmelung bei Mädchen, dennoch handelt es sich, wie ich aus eigener leidvoller Erfahrung weiß, um eine höchst unangenehme, schmerzreiche Prozedur, selbst wenn sie unter besten medizinischen Bedingungen erfolgt. Kein Kind sollte dieses Leid erfahren müssen, es sei denn, es liegen eindeutige medizinische Gründe für den Eingriff vor.“ Erwachsene könnten für sich selbst die Entscheidung treffen, ob sie aus religiösen Gründen beschnitten werden möchten, sie dürften diese Entscheidung jedoch nicht für ihre Kinder treffen. „Wenn Bundeskanzlerin Merkel meint, Deutschland mache sich mit einem Beschneidungsverbot zu einer ‚Komikernation‘, zeigt dies nur, dass sie sich mit den Problemen der Zirkumzision nicht ernsthaft beschäftigt hat und religiösen Vorurteilen höheres Gewicht beimisst als dem Kindeswohl.“
Immerhin setze sich die Einsicht in die Unrechtmäßigkeit der Vorhautbeschneidung allmählich auch in religiösen Kreisen durch. Schmidt-Salomon zitierte in diesem Zusammenhang die britisch-jüdische Ärztin und Psychotherapeutin Jenny Goodman, die die rituelle Vorhautbeschneidung der Kinder aus religiöser Perspektive kritisierte: „Ich bin zuversichtlich, dass mein Volk so viele lebensbejahende, lebensfreudige und erkenntnisbringende Traditionen hat, dass unsere Identität und kulturelle Selbstachtung ohne Probleme überleben wird, wenn wir über die Beschneidung hinauswachsen, die ein grausames Relikt ist, das ich immer als eine Abweichung vom Herzen meiner Religion empfunden habe.“
Schmidt-Salomon betonte, dass es keine Anmaßung, sondern vielmehr eine verfassungsrechtliche Notwendigkeit sei, dass der säkulare Rechtsstaat seine Normen durchsetze. Insofern sei das Urteil des Kölner Landgerichts, das nicht die Religionsfreiheit, sondern das Recht auf religiös begründete Körperverletzung aufgehoben habe, in jeder Hinsicht zu begrüßen: „Dass Religionsfreiheit nicht bedeuten kann, Kindern ungestraft Schmerzen zufügen zu dürfen, sollte eigentlich jedem einleuchten – auch den Spitzenpolitikern in Berlin.“
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Die Initiative der gbs ist nur zu begrüßen. In der bisherigen Diskussion waren viel zu wenige Stimmen humanistischer Kräfte zu vernehmen. Und es ist höchste Zeit, in die öffentliche Debatte einzugreifen, um zu verhindern, dass bei dem im Eilverfahren geplanten Gesetz zur Legalisierung religiös motivierter Beschneidungen nur noch die Äußerungen derjenigen zu vernehmen sein werden, denen Rituale wichtiger sind als lebendige Menschen.
DIe DIskussion muß vom Kopf auf die Füße gestellt werden. Zuallererst geht es, man kann es nicht genug betonen, um die unveräußerlichen Menschenrechte der Knaben auf Selbstbestimmung und Schutz ihrer körperlichen Integrität (was einschließt, dass ihnen gesunde und intakte Körperteile nicht entfernt werden dürfen). DIe Befürworter der Fortsetzung dieses archaischen Beschneidungs-Rituals lassen diesen einzig maßgeblichen Gesichtspunkt gern außen vor, denn ihnen geht es (natürlich) nicht um die Belange der Minderjährigen. Vermeintlich göttliche Anordnungen und Weisungen sind ihnen wichtiger als das Wohl von Kindern.
Allerdings geht es auch um das Menschenrecht auf Religionsfreiheit. Da ist gegenwärtig das Geschrei der Religionsgemeinschaf- en, der Organisationsvertreter und der Priester, Rabbiner und Imame groß. Aber was wollen sie? Sie wollen die Religionsfreiheit der Eltern schützen, die in dieser Sache darin besteht, ihren unmündigen Söhnen für das gesamte Leben bleibende und nicht mehr zu beseitigende Zeichen einer nach ihren Vorstellung bestehenden Verbindung mit einem Gott anbringen zu dürfen. Die Religionsfreiheit der Knaben interessiert die religiösen Meinungsführer selbstverständlich nicht.
Aber jedem Menschen selbst (und nicht nur seinen Eltern) steht dieses Recht zu, vor allem dann, wenn es um die Entscheidung über derartige körperliche nicht mehr rückgängig zu machende Eingriffe geht. Wer sich beschneiden lassen will, um seine Verbundenheit mit einem Gott zu demonstrieren oder auch nur um sich zur Zugehörigkeit zu einer religiösen Gruppe zu bekennen, mag dies tun. Aber diese Entscheidung soll (und darf) er nur selber treffen, und zwar dann, wenn die Tragweite der Beschneidung reflektiert werden kann (somit nicht vor dem 18. Lebensjahr).
Religiöse besitzen (im demokratischen Rechtsstaat mit seiner Garantie von Menschenrechten) keine Narrenfreiheit, wie es der Strafrechtler Prof. Dr. Putzke vor kurzem formuliert hat. Erinnern wir die Religiösen nachdrücklich daran – und auch daran, dass sie die unveräußerlichen Menschenrechte zu akzeptieren haben.
Walter Otte
Vom Kopf auf die Füße stellen ist die Kernaussage von Walter, bravo. Wie kommen Opfer dazu, sich für Gehirnwäsche (Indoktrination) und Verstümmelung auch noch zu bedanken? Die Frage zu beantworten, sind einzig Psychiatrie, Neurologie und Hirnforschung berufen.
Näturlich riechen positive Religionsfreiheitler zurecht bereits weitere Verbote fundamentaler Eingriffe. Mein Lieblingstraditionsbeispiel ist die Erziehung zum Lügen ohne rot zu werden. Das heilige Sakrament der Beichte als Einübung der systemischen Doppelmoral unter erleichterten Bedingungen im dunklen Beichtstuhl. Nichtkatholen werden einwerfen, betifft uns nicht. Dafür hat man nur die Kernaussage tolerant durch neue Marketingtechniken multikulturell sublimiert, was die kritikunfähige Autoritätshörigkeit nicht harmloser sondern noch gefährlicher macht (MSS KMDD).